Montag, 10. August 2009

Edinburgh Fringe Festival - am Rande des Wahnsinns...

Das zweite Wochenende in Schottland ist erfolgreich überstanden! Eigentlich ist es ja das dritte, weil ich samstags hier angekommen bin, aber das zählt nicht. Wie schon angekündigt, war ich in Edinburgh auf dem großen Festival. Da finden im Moment die Military Tatoos statt und rund herum in Old Edinburgh hat am Freitag das Fringe-Festival angefangen, das inzwischen fester Bestandteil ist. Und genau das wollte ich mir eben anschauen, weil es höchstwahrscheinlich keine Karten mehr für das Tatoo gegeben hätte - aber es ist ja bestimmt nicht das letzte Mal, dass ich da war. Angefangen hat alles ganz harmlos am Samstag Morgen. Ich war pünktlich um 6.30 Uhr am Aberdeen Busbahnhof (man bedenke, ich muss da eine gute dreiviertel Stunde hinlaufen - aber es war gutes Wetter - kein Regen) und habe auch gleich den Bus in Richtung Edinburgh entdeckt mit einer Riesenschlange nebendran. Gut, man denkt sich erstmal nichts dabei und stellt sich dazu. Schließlich hat man sich im Internet schlau gemacht, was die Fahrpreise, Fahrzeit und Busverbindungen angeht und hat seinen Plan wunderbar ausgearbeitet - bis plötzlich ein Mensch da langläuft und die Reservierungs- und Ticketnummern der potentiellen Fahrgäste überprüft. Ich bin dann erstmal schnurstracks zum Infohäuschen marschiert (war sowieso grad mal zehn Meter neben mir) und habe den extrem freundlich dreinblickenden Herrn gefragt, ob man denn sein Ticket auch beim Busfahrer kaufen kann, oder ob man dazu an den Schalter muss. Der kuckt mich erstmal an wie ein Auto und meint, entweder übers Internet oder im Kassenhäuschen, aber im Bus geht nichts. Das hat der ungefähr so begeistert dahingebrabbelt, wie ich Montag morgens eine halbe Stunde vor dem ersten Kaffee drauf wäre. Am Kassenhäuschen kam dann auch sofort die nächste Überraschung: Öffnungszeiten von 9.00 Uhr bis 17-00 Uhr. Inzwischen war es ganze stolze 6.40 Uhr! Also, sch*** auf den Bus, Plan B tritt in Kraft - ich fahr mit dem Zug. Der Bahnhof ist direkt nebenan, der Ticketschalter hat schon seit 5.00 Uhr auf (so sah der Kerl auch aus, war aber im Gegensatz zum Bus-Menschen wirklich freundlich, obwohl auch ihm der Kaffeemangel deutlich anzumerken war), der Zug braucht nur gute zwei Stunden statt drei, der letzte Zug geht später zurück als der letzte Bus, was länger Edinburgh genießen bedeutet, der nächste Zug geht pünktlich um 7.06 Uhr und das Ticket ist teurer. Studentenermäßigung gibts nicht, hätts aber im Bus auch nicht gegeben. Es sprcha also alles für den Zug. Immerhin war ich pünktlich um 9.40 Uhr in Edinburgh und froh darüber, dass ich nochmal eine 20-Pfundnote mehr eingesteckt hatte. Was gibts über Edinburgh selbst zu sagen? Ich war da ja schon ein paar Mal. Mit der Studienfahrt haben wir ja in einer Jugendherberge neben der Deutschen Botschaft gewohnt und nach dem Abi auf der 10-Tages-Schottlandtour waren Christian und ich ja auch ein- oder zweimal regulär und einmal außerplanmäßig in der Stadt. Das einzige, was sich wirklich verändert hat in der Zeit, ist die Prince-Street, die mitten durch das Stadtzentrum verläuft und so die Einkaufsmeile schlechthin repräsentiert. Da ist jetzt eine Riesenbaustelle, weshalb Buslinien da außenrum gelotst werden müssen und es zu Verspätungen kommt - noch ein Grund, den Bus stehen zu lassen! Das Castle steht noch, der Park drumrum ist noch immer grün (es regnet ja auch genug dafür) und es gibt nach wie vor Touribusse, mit denen man sich die Sehenswürdigkeiten Edinburghs ankucken kann und von einem Guide was dazu erzählt bekommt. Mal ist der Guide elektronisch, mal aus Fleisch und Blut, je nachdem, welchen Bus man gerade erwischt. Als erstes hab ich den mit dem lebendigen Guide erwischt. Ich glaube, die wollte witzig sein, aber so vom Hocker haben mich ihre Sprüche jetzt nicht gerissen. Dass ich nicht von der Guidin begeistert war, lag nicht daran, dass ich an dem Tag was gegen Busse hatte (sonst hätte ich mir dafür ja kein Ticket geholt) die war wirklich ein bisschen komisch, aber naja. Der elektronische Guide im nächsten Bus war auch nicht besser. Liegt vielleicht daran, dass man mit einem Affenzahn durch die Stadt braust, rote Sandsteingebäude gezeigt bekommt und dann eine Geschichte über die Vergangenheit aufgetischt kriegt, die man innerhalb der nächsten paar Stunden spätestens sowieso wieder vergessen hat. Aber als Tourist muss ich ja ein Pflichtprogramm erfüllen und das habe ich hiermit getan. Auf zum Fringe-Festival! Den ganzen Tag sieht man auf der Royal Mile (Startpunkt ist das Castle) die Touris und Gäste rumlaufen und zwischendrin kommen dann immer wieder an verschiedenen Punkten die Straßenkünstler zum Einsatz. Die Jonglieren dann entweder vier Feuerfackeln... oder auch mal Kettensägen... gelegentlich lassen sie aber auch Menschen mit über 200kg auf ein Nagelbrett treten, dass sie vorher auf ihren Bauch gelegt haben... Der hatte seinen "Freiwilligen" vorher extra nochmal gewogen und die Waage ging bis 21 Stone, was knapp 200kg entspricht. Er hat dann nur überrascht gemeint, dass er laut Waage plötzlich gewichtslos sei und den Trick noch nie mit so einem "großen" Freiwilligen vorgeführt habe. Zum Glück hat er das unbeschadet überlebt... Richtig cool fand ich einen, der eine Glaskugel scheinbar hat schweben lassen...
Am Ende einer Aufführung der Straßenkünstler kamen dann immer die gleichen Sprüche: "Meine Damen und Herren, mein Name ist XY und ich bin Straßenkünstler! Ich habe mich dafür entschieden, weil es mir Spaß macht und ich verdiene damit meinen Lebensunterhalt! Dabei werde ich aber nicht von der Stadt oder von jemand anderem bezahlt, sondern nur von Ihnen, von meinem Publikum..." Und so weiter. Es werden auf dem Fringe auch immer verschiedene Shows aufgeführt, für die man vorher ein Ticket kaufen muss, und dazu meinten die immer nur, man kaufe erst das Ticket und stelle dann unter Umständen fest, dass die Show zu nichts taugt. Sie würden immerhin ihre Show zeigen und anschließend könne das Publikum entscheiden, was es ihm wert war. Der durchgängige Vorschlag war, dem Künstler symbolisch einen Drink zu spendieren - und weil ein Bier in Edinburgh durchschnittlich 20 Pfund kostet, wollten sie sich damit auch schon zufrieden geben ;-) Natürlich haben sie sich dann aber sofort wieder eines Besseren besonnen und haben sich auch mit weniger oder wenigstens mit einem Händeschütteln zufrieden gegeben. Sonst habe ich auf dem Festival abends noch eine Show besucht, die "Tao Samurai Magical Drummers"... ein paar Asiaten haben mit einer guten Choreographie auf Trommeln gespielt und gelegentlich auch mal eine Flöte gezückt. Es war wirklich klasse, etwa anderthalb Stunden lang purer Rhythmus! Beschreiben kann man das nicht, also: kommt alle nach Edinburgh und schaut es euch selbst an. Das war auch endlich einmal eine der wenigen Situationen, in der ich meinen Internationalen Studentenausweis gebrauchen konnte, um ein Pfund zu sparen - sonst reicht es immer aus zu sagen, ich sei Student. Vielleicht sah ich nicht mitgenommen und versifft genug aus, dass die Dame an der Kasse sicher gehen wollte. Leider konnte ich während der Show keine Bilder machen. Erstens war es dunkel und zweitens auch verboten... Nach dieser Show hab ich mich dann auch langsam wieder auf den Heimweg gemacht, schließlich wollte ich ja nicht den letzten Zug nach Aberdeen verpassen (die Jugendherbergen in Edinburgh waren restlos ausgebucht, sonst hätte ich überlegt, noch einen Tag länger zu bleiben und sonntags gemütlich zurück zu fahren). Bevor es aber endgültig nach Hause ging hatte ich wenigstens noch die Gelegenheit, echte Dudelsackspieler zu sehen. So in Farbe und bunt eben. Einmal gab es welche in traditionell militärisch anmutenden Aufmachungen, einmal gab es die aber auch die Straßenkünstlerversion. Der zweite war auch kreativer, was das Spielen anging - oder wie sonst kommt man auf die Idee, neben Amazing Grace auch mal den Titelsong von James Bond oder von Star Wars auf dem Dudelsack zu spielen, ohne dazwischen Luft zu holen. Ich habe auch eine kurze Sequenz aufnehmen können - das musste einfach sein, so eins wie er mit seinem Instrument und der Musik war. Nur leider haben sich genau in diesem Moment viele Passanten gedacht, sie müssten durchs Bild laufen...

Wieder zu Hause dann, habe ich mich erst mal halbtot ins Bett geflüchtet (es war ja auch ein Uhr nachts) und habe sonntags nichts anderes gemacht, als zu essen und zu schlafen. Irgendwie war ich nach meinem Edinburghtrip etwas fertig... Vielleicht werde ich zu alt, um von 9.40 Uhr bis 21.32 Uhr fast permanent durch die Stadt zu marschieren... Und hier an dieser Stelle muss ich mich bei meinen treuen Lesern entschuldigen, dass dieser Post mit etwa einer Woche Verspätung online gestellt wird, aber die Woche über war es so hektisch auf Station und sonntags war ich einfach nicht in der Lage, was anderes zu machen als zu essen und zu schlafen... Und warum es auf Station hektisch war? Ganz einfach: Zur Zeit gibt es in der Infection Unit neben den Consultants (Chefärzte), die nicht viel für den Alltagsablauf machen zwei Registrars (Oberärzte), eine SHO (Stationsärztin) und eine FY1 (Assistenzärztin), um den Betrieb aus ärztlicher Sicht aufrecht zu erhalten. Letzte Woche war die SHO krank und eine Registrar hatte ein Praktikum mit Weiterbildung in der Mikrobiologie. Macht unterm Strich noch einen Registrar und die FY1 - und mich als Bystander, der gelegentlich versucht, Aufgaben an sich zu reißen und nützlich zu sein. Und Überraschung: Dienstag und Mittwoch hatte die FY1 auch eine Fortbildung - wodurch ich zwei Tage lang zum kommissarischen FY1 ohne Medikamentenverschreibungsrecht aufgestiegen bin! Das war echt klasse! Verdammt anstrengend, weil ich die Ärzte kaum noch verstehe, wenn sie hektisch zwischen Tür und Angel ein Statement vor sich hinnuscheln, aber echt klasse. Mal sehen, ob es sich nächste Woche wieder etwas beruhigt, dass ich auch mal wieder losziehen kann, um Patienten zu interviewen und mich weiter in Anamnese üben kann... Und dann, schneller als gedacht, war auch schon wieder das Wochenende da. Wenn die nächsten zwei Wochen genauso schnell rumgehen, wie die letzte, habe ich das Gefühl, übermorgen schon wieder nach Hause zu fliegen... Was gab es dieses Wochenende spektakuläres? Samstag: Wäsche waschen, essen und schlafen. Und ich hab mal Aberdeen etwas unsicher gemacht... hier ist mal ein Foto von King'S College, wo ich studiert hätte, wenn ich ein Aberdeen Student gewesen wäre. Und auch im Stadtzentrum mangelt es nicht an interessanten Sehenswürdigkeiten und kulinarischen Exoten... Sonst war der Tag recht ereignislos. Zusammen mit einem meiner Mitbewohner, Paris (von Beruf Grieche und Meeresbiologe), haben wir für Sonntag dann geplant, nach Stonehaven zu gehen - einer kleinen idyllischen Hafenstadt südlich von Aberdeen. Da gibt es einen Hafen (oh Wunder), eine Burgruine (Eintritt ist billiger als Urquhart Castle am Loch Ness) und nebenbei ist dort auch der frittierte Marsriegel erfunden worden (dazu später noch mehr)... Ich denke, es ist besser, die Bilder für den Ausflug sprechen zu lassen: nach einer gefährlichen Flussüberquerung:

gab es einen guten Überblick über den Hafen (das blaue Kopftuch hat mir Paris geliehen, weil es mal kurz angefangen hat zu regnen und er nicht wollte, dass ich zu nass werde - nachher hatte ich erstmal vergessen, dass ich das noch auf hatte): Der weitere Weg, der uns zu Dunnottar Castle führen sollte (die Geschichte könnt ihr in Wikipedia nachschlagen - die englische Version ist ausführlicher), hatte einen Rastpunkt an einem Kriegsdenkmal: Entlang der malerischen Klippe kam dann in der Ferne auch schon das Castle in Sichtweite: Etwas näher sah das dann schon so aus: Da konnte man echt gut meditieren: Oder einfach mal nur relaxen, nachdem wir da anderthalb Meilen von Stonehaven aus hinmarschiert sind (hier mal ein Bild von Paris, nachdem ihr mich jetzt schon so oft sehen musstet): Zurück in Stonehaven haben wir auch einfach mal das schöne Wetter genossen und sind im Hafenbecken spazieren gegangen. Das Wetter war einfach herrlich, es ging kaum Wind und die Kinder haben auch im Hafenbecken gespielt. Zugegeben, das Wasser "ein bisschen kühl", aber nach etwa fünf Minuten meinte Paris, er spüre die Kälte nicht mehr. Die Füße hat er auch nicht mehr gespürt, aber immerhin war es nicht mehr kalt :-P Kurz später haben wir uns dann aufgemacht, um etwas zu Essen zu finden. Leider waren die Hafenkneipen überfüllt, aber etwas mehr Richtung Stadtzentrum haben wir eine Kneipe entdeckt, in der es Fish and Chips gab. Wie sich rausgestellt hat, hatten die aber an dem Tag weder Haddock für das traditionelle Fish and Chips, noch ein Steak, was ich anstelle dessen bestellt habe (ich bin dann wie Paris auch auf Scampi umgeschwenkt), noch hatten sie Guinness! Das Tennent war auch nicht allzu schlecht, aber trotzdem kein Vergleich zu Guinness oder einem normalen deutschen Bier. So ganz nebenbei möchte ich mal zwei Dinge erwähnen, die ich aus Deutschland vermisse: richtiges Bier und vor allem gescheites Brot. Hier gibt es nur für unsere Begriffe Toastbrotverschnitt. Die leicht gesalzene schottische Butter ist aber dann doch recht interessant... egal, ich schweife ab. Als letzten Punkt auf unserer Touristenliste stand noch der frittierte Marsriegel. Als kurze Erklärung: Vor ein paar Jahren kam der schottischen Gesundheitbehörde ein Gerücht zu Ohren, dass es einen neuen Snack gäbe, der sich großer Beliebtheit erfreue - eben besagter frittierter Marsriegel. Anfangs hat man das als Gerücht abgetan. Ähnlich der Legenden um Nessie. Es war gut, um Touristen anzuziehen, sollte aber keiner wissenschaftlicher Überprüfung stand halten - dachte man zumindest. Umso geschockter war man dann, als sich herausstellte, dieser Riegel/Snack/Kalorienbombe/Lebenszeitverkürzer war doch tatsächlich Realität! Ein Marsriegel wird kurz unter Wasser geschwenkt, in Pannate gewälzt und anschließend frittiert. Wenn man dieses Ding in Händen hält, hat man das Gefühl, es decke den Kalorienbedarf einer mittelgroßen Kleinstadt Deutschlands für etwa einen Monat... und wenn man das gegessen hat, ist man sich dessen auch sicher. Hier mal ein Bild, bevor wir todesmutig den Riegel bestellt haben und uns damit als Touristen geoutet haben: Und hier nochmal ein Bild kurz vor dem ersten Biss: Ein Bild danach gibt es leider nicht mehr. Alles Blut war auf dem Weg Richtung Magen, um sich verdauungstechnisch an die Arbeit zu machen. Uns hat einfach die Kraft gefehlt, die Kamera zu halten...

2 Kommentare:

  1. Daniel! Modisches Faux-pas: blaues kopftuch zum orange-farbenen Shirt ;)
    und der Typ mit der Glaskugel ist ja ganz witzig, hab schon mehrere Videos gesehen wo Leute sowas machen ... fragt man sich nur immer, WIE sie das machen...
    aber den frittierten Marsriegel hätt ich mir auch gegeben... wie wärs, wir machen ne Friteusen-party wenn du wieder da bist:) selber mars-riegel frittieren!

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  2. Hi Danny, unser Feriengast,Juri, hat sich auch über deinen ausführlichen Bericht gefreut; durfte er doch die ganze Zeit über frei fliegen.
    Kein Wunder, dass du sonntags platt warst. Da meinen wir nicht die Bahnfahrt oder das Rummaschieren. Nein, der frittierte Marsriegel hat dich außer Gefecht gesetzt. So etwas kennen deine Innereien halt doch nicht.
    Weiterhin viel Spaß auf Station

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