Sonntag, 2. August 2009

Aus dem Tagebuch eines Reisenden...

Die erste Woche in Schottland ist vorbei und das Wochenende neigt sich langsam dem Ende zu.
In der Klinik ist alles wie gehabt, ich übe mich Stück für Stück in englischen Anamnesegesprächen und versuche manchmal verzweifelt die Patienten zu verstehen – hängt halt vom Dialekt ab, geht aber meistens nach Nachfragen relativ gut. Für schottische Studenten, die länger auf Station sind, ist es normal, ein „Projekt“ zu machen und da der eine Chefarzt mich jetzt als quasi-schottischer Student eingestuft zu haben scheint und sich anscheinend als für meine Aktivitäten verantwortlich fühlt (ich hab die Aufgabe, jeden Tag wenigstens mit zwei Patienten zu sprechen – mal sehen, ob das funktioniert, da jede Woche mindestens drei andere Studenten da sind, die sich auch mit einem Patienten unterhalten; da kommts halt mal zu Gedränge vor dem Zimmer…), hat er mir noch ein weiteres Projekt aufgetragen, weil ihm das erste, das ich jetzt übernommen habe, zu klein erscheint. Zugegeben, es ist nicht so wirklich großartig, ich überprüfe dabei jede Woche von fünf Patienten die Antibiotikatherapie und wie diese dokumentiert ist und vergleiche das dann mit den Leitlinien. Aber andererseits scheint das zweite Projekt auch nicht viel aufwendiger zu sein: ich erfasse dabei jeden Patienten, der mit Verdacht auf Schweinegrippe zu uns kommt, dokumentiere ein paar persönliche Daten, Symptome und so weiter und ganz am Ende kann man dann sagen, wie viele der Verdachtsfälle sich bestätigt haben und wie das Patientenkollektiv aussieht. Als ich am Anfang gehört habe, ich könne ja ein Projekt machen, hab ich mich noch gefragt: Oje, was erwarten die dabei, reicht mein Englisch dazu aus, brüte ich jeden Tag neben den Visiten zehn Stunden über Akten und versuche Zusammenhänge von irgendwas herauszufinden, sofern ich die Handschrift lesen kann… aber jetzt entpuppt sich das alles als wirklich entspannt.
Nichtsdestotrotz, dass ich meine neuen Aufgaben bekommen habe, hab ich am Wochenende meinen ersten Schottlanderkundungsausflug gemacht! Ich war in Inverness, hab mir die Stadt angesehen, das Loch Ness, was man eben als Tourist da so macht. Am Freitag Abend hat mich eine der Ärztinnen, die zusammen mit ihrem Freund übers Wochenende nach Inverness gefahren ist, weil sie da eingeladen war, im Auto mitgenommen und dadurch hab ich schonmal die Fahrtkosten nach Inverness hin gespart (um so härter war der Schock, als ich am Bahnhof mein Ticket zurück nach Aberdeen gelöst habe und die Wutz von Schaffner hat mit 25 Pfund – nicht Euro – abgeluchst; der hat auch ein bisschen komisch gekuckt und nur den Kopf geschüttelt, als ich gefragt habe, ob es denn für Studenten billiger wäre – ob Deutschland oder Schottland, die Bahn scheint überall gleich zu sein). Die Nacht über habe ich in der Jugendherberge in Inverness verbracht, hab mir am nächsten Morgen noch ein kontinentales Frühstück geleistet (Frühstück – 3,50 Pfund, die Schotten auf Anhieb zu verstehen – unbezahlbar) und bin dann kurz nach Acht losmarschiert, um die Stadt unsicher zu machen. Ist nur blöd, wenn die Läden, Touristenattraktionen und alles andere erst um neun oder zehn aufmacht… Zeit genug also, die Stadt auf eigene Faust zu Fuß zu erkunden, sich am Automaten eine Karte des Stadtzentrums zu ziehen und idyllische Landschaft der Ness Islands südlich am Rande der Stadt zu genießen...



Die haben da auch echt schicke Brücken mit schmiedeeisernen Geländern...



Später am Tag, hab ich dann noch eine einstündige Tour mit einem Reiseführer durch die Stadt gemacht - ich war zu dem Zeitpunkt der einzige und deshalb war es dann auch eine richtige Privatführung. Da kamen dann dieüblichen Anekdötchen über die Stadt, wie schön sie doch ist (sie ist wirklich toll!) und ein paar historische Kuriositäten. Es gab einmal ein Erdbeben in Inverness und dadurch ist ein Turm, den ich leider vergessen habe zu fotographieren schief geworden. Ungefähr so wie der schiefe Turm von Pisa! Dadurch sind dann scharenweise die Touristen aufgekreuzt und wollten den schiefen Turm von Inverness anschauen. Es hat dann nochmal viele Jahrzehnte gedauert, bis man den Turm wieder gerade gerückt hat... Was man über Inverness aber auf jeden Fall sagen muss, ist der idyllische Kleinstadtcharakter, den die 70.000 Einwohner-Stadt immer noch hat. Kein Haus hier ist höher als vier Stockwerke und über allem thront die Burg, in der heute das Gericht sitzt. Die einzige Möglichkeit also, die Burg als Tourist von innen zu sehen, ist es, ein Verbrechen zu begehen - nicht gerade lohnenswert.



Der Fluss durch die Stadt ist übrigens der Ness und Inverness heißt nichts anderes als: an der Mündung des Ness gelegen.

Und natürlich, wie es sich als guter Tourist gehört, hab ich auch eine Bootsfahrt über den Caledonean Cannal ins Loch Ness zu Urquhart-Castle und zurück gebucht. In die Burg rein bin ich nicht - die verlangen inzwischen sieben Pfund Eintritt und ich denke innerhalb der letzten fünf Jahre, seit ich das letzte Mal hier war, hat sich bestimmt nicht allzu viel verändert. Aber immerhin habe ich ein Beweisfoto schießen lassen! Ich war wirklich auf einem Schiff vor der Ruine!



Sonst bin ich noch weiter durch die Stadt geschlendert, habe die Aussicht vom Castle über die Stadt genossen... Ganz links im Bild sieht man die Türme der St. Andrews Kathedrale. Die hat leider nur keine Kirchtürme, weil im Laufe der Zeit das Geld ausging. Damals hat man eben den Fehler begangen, erst das Bischofshaus mit zwanzig Räumen zu bauen und erst danach hat man mit der Kirche angefangen. Selbst Schuld! Sieht aber trotzdem schick aus, oder?



Jetzt bin ich wieder hier in Aberdeen und kann mich heute nicht aufraffen, was zu unternehmen, nachdem ich mir gestern fast zehn Stunden Inverness reingezogen habe. Meine Beine brauchen eine kurze Pause, bevor ich morgen Früh wieder in die Klinik marschiere. Deswegen mach ich heute alles gemütlich. Ich wasche gemütlich die Wäsche, esse gemütlich meine Tiefkühlpizza, die ich vorhin sehr gemütlich im Lidl geholt habe (es lebe der ständig verkaufsoffene Sonntag in Schottland!), denke darüber nach, die Gurke, die ich mir auch geholt habe später in einen Salat zu zerschnippeln... und sonst leg ich nur die Beine hoch, bevor morgen der Ernst des Kliniklebens wieder weiter geht.

Und ganz nebenbei beobachte ich auch immer wieder die Möwen, die hier überall durch die Stadt fliegen und auch vor meinem Fenster hin und her laufen.


Und weiter ist hier eigentlich nichts wirklich aufregendes passiert. Ich kanns nur nicht fassen, wie schnell die erste Woche vorbei ist. Mal sehen, wie schnell das mit der zweiten passiert.

Für nächstes Wochenende plane ich für einen Tag nach Edinburgh zu fahren, da wird das Edinburgh International Festival stattfinden - soll was ganz berühmtes sein, hab nur noch nie davon gehört... Es soll auf jeden Fall sehr lustig sein mit Straßenkünstlern in bunten Verkleidungen und vielem mehr. Ich lass mich überaschen und freue mich schon auf das Haggis im Touristenpub "The last Drop" - sofern ich da hinkomme. Nächstes Wochenende sollen fast eine halbe Million Besucher wegen des Festivals in die Stadt strömen und ich werde mitten unter ihnen sein!

3 Kommentare:

  1. Hi Danny,
    dein Wochenende war doch etwas spannender als unseres. Wir kamen seit Freitag nicht vor die Tür. Aber wie schon Carola geschrieben hat konnten wir wenigsten unsere Badebekleidung, tragen auch wenn es nur zum Tapezieren war. Dein erstes Wochenende war ja schon toll (trotz ohne Nessie ... gut für unser Sofa). Wenn die Schotten ihre guterhaltenen Burgen nur Knasties zur Ferfügung stellen kannst du darauf locker verzichten; und Ruiene sehen sowieso aus einiger Entfernung am besten aus.
    Bei uns gehen bei Regen oder noch schlechterem Wetter die Stockenten zu Fuß. Dass die schottischen Möven schon bei recht normalem Wetter zu Fuß gehen ist erstaunlich (oder brauchen die für ihre Flugmanöver Sturm, Hagel oder Bodennebel?).
    Falls du in Edinbugh eien Platz im "The last Drop" ergattern kannst, denk dran,das s in schottischen Kneipe manchmal Geldbeutel samt Papieren etc. einfach so verschwinden können. Also... uffbasse.
    Sollte dieser unwahrscheinliche Fall doch eintreten (dein Bruder ist ja diesesmal nicht dabei), weißt du ja schon, wo in Edinburgh das deutsche Konsulat ist.
    Wir... wünschen dir eien weitere angenehme Arbeitswoche incl. der erforderlichen Wandereinlagen
    Grüße M+P

    PS: Die Fische schwimmen noch.

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  2. Ich war damals glaub auch zu der Zeit in Edinburgh, war echt geil! Empfehlenswert ist da dann auch das "Military Tattoo", so n Wettbewerb zwischen verschiedenen Marschkapellen.
    Und die ganzen Artisten und Artistinnen auf den Straßen waren auch sehenswert.

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  3. Hallo Daniel,
    du hast ja schon Tolles erlebt. Wir waren heute bei deinen Eltern, haben gut gegessen und getrunken und auch die Bilder gesehen die du geschickt hast.
    Wir wünschen dir noch alles Gute lass es dir gutgehen.
    Nun sind wir aber müde und gehen nach Hause.
    Alla TSCHÜSS bis dann.
    Es grüßen dich die kleine Oma und Opa

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